Renaissance-Heute

 

Abb.1 SuS- Arbeit 2018

 

Renaissance- Heute

Dieser etwa 4-stündigen Aufgabenstellung gehen einige Theoriestunden voran, in welchen die modische Erscheinung und das Menschenbild der Renaissance vorgestellt wurde. Im Besonderen habe ich dabei Wert darauf gelegt das für die italienische Renaissance charakteristische Denken in Idealtypen begreiflich zu machen.

Das, und wie sich solche Idealtypen zeigen, ist Sache einer sich verändernden und veränderten Kultur, sowohl in ihrer zeitlichen als auch räumlichen Gebundenheit. Die Renaissance mit der Jetzt-Zeit zu verbinden war in Anlehnung an Carl Peter Buschkühle mit der Hoffnung verbunden, eine Reflexion über die eigene kulturelle Identität anzuregen.

Buschkühle schreibt: “Gerade [die] Differenz des Heute in der Perspektive auf ihre geschichtlichen Bezüge macht den historischen Blick wirksam für die Reflexion eigener kultureller Identität Heranwachsender und anderer Zeitgenossen. In dieser Hinsicht sollte die bildgeschichtliche Kunstpädagogik ihre Akzentsetzung ausbauen.” (Buschkühle 2017)

Die SuS sollten also gleichsam die Ähnlichkeiten nachvollziehen, durch welche sie mit der Zeit der Renaissance verbunden sind, als auch aus der Differenz der Ähnlichkeiten zu einer Reflexion ihrer kulturellen Identität gelangen.

Simonetta Vespucci, die, wie Boticelli in den 1480ern gesagt haben soll, ‚schönste Frau von Florenz‘ (Kopf in Abb.2) weist auch wirklich viele Ähnlichkeiten zu heutigen Schönheitsidealen auf, nur ist klar, dass unter einem idealtypischen Körperbau heute andere Maßstäbe gelten. Der ihr angestückelte Körper ist wie der lächerlich schief gelaufene Versuch, den Style für das von Modemagazinen propagierte zeitgenössische Schönheitsempfinden zurechtzurücken.

Weniger leicht fällt mir die Analyse bei Abb.1. Hier wurde ein Versacekleid mit einer Kreation von Hieronymus Bosch kombiniert. Dies ist in ästhetischer Hinsicht so gut gelungen, dass beim ersten Blick alles zu passen scheint. Der obere Teil ist bereits so verrückt, dass nichts weiter daran hindert, auch den unteren Teil einer menschlichen Hand dem Vogelkopf zugehörig zu definieren. Die üppige, goldene Ornamentik auf schwarzem Grund ist wohl das direkte Zitat einer Ästhetik wenn nicht des 16., so doch des barocken 17. und 18. Jahrhunderts. Die Differenz liegt wohl darin, dass goldene Ornamentik im Barock mehr auf Bilderrahmen und Stuckaturen zu finden war, denn als Druck auf Kleidern.

Abb.2: SuS- Arbeit 2018

Praxiserfahrung

In der Praxis dieses Konzepts zeigte sich indes, dass weit mehr als die Bildsamkeit durch Differenz, eine Bildsamkeit des Spaßes in den Vordergrund rückte, denn bei keiner anderen Aufgabe hatten die sonst nicht sonderlich leicht zu motivierenden SuS so eine Freude, sich gegenseitig ihre abwegigen und doch ästhetisch gelungenen Kombinationen zu zeigen. Die Lust enstand vor allem durch die formale Differenz, einem zu großen oder zu kleinen Kopf auf einem Körper in falscher Perspektive. Dies steht jedoch ebenfalls in einer kunstgeschichtlichen Tradition, und zwar jener des Surrealismus und seinen Blüten, bspw. dem Exquit Cadavre. Oder, der Brüller schlechthin stellte sich zu Abb.3 ein, ganz einfach, weil sich hier auch sexuelle Bildung sehr humorvoll in die Bearbeitung hereinschleicht. Nun ist es plötzlich die Symbolik, die bedeutsam wird.

Abb.3: SuS-Arbeit 2018

Vorgehen

Benötigt wird:

  • Farbige Ausdrucke von Renaissancewerken

  • Alte Modemagazine

  • Schere oder Cuttermesser (mit Schneideunterlage)

  • Uhustick

  • Bleistift

  • Din A3 Papier

Die Aufgabenstellung besteht darin, ein Körperteil einer Abbildung der Renaissance mit einem Körperteil einer Abbildung eines zeitgenössischen Modemagazins zu kombinieren. Die einzelnen Teile sollen säuberlich ausgeschnitten und auf weissen Hintergrund geklebt werden. Ein Werbespruch soll in Serifenschrift dazu erfunden und gezeichnet werden. Abschließend sollen die Kleidungsstücke und Accesoires mit Bepreisungen und Markennamen versehen werden.

Literatur

Carl-Peter Buschkühle: Künstlerische Bildung. Theorie und Praxis einer künstlerischen Kunstpädagogik, Athena Verlag: Oberhausen 2017