Traumraum

 
 

TRAUM-RAUM

Einleitung

In diesem Projekt planen die Schüler*innen ihre eigene Wohnung. Sie wohnen in dieser Wohnung aber nicht allein, sondern der ganze Planungs- und Bauprozess ist auf eine Wohngemeinschaft mit einem anderen Klassenmitglied ausgerichtet. Es handelt sich also um Zweierarbeiten.

Ziel des Projektes sind Wohnmodelle, die eine Wunschwohngemeinschaft mit den erträumten Bedingungen der SuS vorstellbar machen.

Die einzige Bedingung sind die Maße der Wohnung. Sie sind für alle SuS gleich, -nämlich die Maße des Lehrsaals.

Schrittweises Erklären der Aufgabenstellung

Den SuS wird nicht gleich bekannt gegeben, dass es sich bei dem Projekt um eine Traumwohngemeinschaft handelt. Zuvor sollen sich die SuS mit je einem/r anderen SuS zusammenfinden, mit dem/der sie gerne zusammen arbeiten wollen. Erst nach dem Maß-nehmen des Lehrsaals wird die Aufgabe zur Gänze aufgedeckt.

Durchführung


1. Maß nehmen

Die SuS (Schüler*innen) lernen zunächst, dass ihre vertikale Spannweite ihrer horizontalen Spannweite entspricht. Da dies die praktische Lehre aus dem vitruvianischen Menschen ist, ist es naheliegend, diesen auf die Wand zu projizieren. Passend wäre in Zukunft auch ein Verweis auf Valie Exports „Körperkonfigurationen“.

Die SuS haben mit dieser Erkenntnis ihr Körpermaß zur Hand und können es für weitere Messungen einsetzen. Zu zweit können sie die Maße des Klassenzimmers ziemlich genau in Erfahrung bringen. Dazu stellt sich SuS X so zur Länge des Saals, dass seine Fingerspitzen gerade eben die Klassenzimmerwand berühren, während seine andere Hand gerade so an jener von SuS Y anstößt. Y stellt sich ebenso in ihrer/seiner längsten Ausdehnung auf, und verharrt, bis X sich wiederum auf die linke Seite von Y gestellt hat. Darauf hin wechselt wiederum Y den Platz und wechselt auf die linke Seite von X. Das ganze wiederholt sich so lange, bis eine/r von beiden an der anderen Seite des Saals ankommt. Die restlichen Zentimeter können geschätzt werden. Dann müssen nur noch die Maße von beiden SuS zusammen gezählt werden und Breite x Länge des Lehrsaals stehen fest.

Bevor die nächsten Arbeitsschritte erläutert werden, gibt die Lehrperson die exakten Maße bekannt, mit denen die SuS weiter arbeiten (von 26 SuS hatten es etwa 10 präzise ermessen, weitere 10 lagen den richtigen Verhältnissen nahe).

Außerdem wird nun das eigentliche Ziel der Aufgabe, eine Zweier WG zu gründen und zu planen, bekannt gegeben.

Die SuS haben nun vier Maße:

  1. ihr eigenes Körpermaß

  2. die Länge des Lehrsaals

  3. die Breite des Lehrsaals

  4. die Höhe des Lehrsaals

Zusammen mit der Lehrperson vollziehen sie nun folgene Rechenoperation: Sie verdoppeln alle Zahlen, und rücken mit der Kommastelle auf den Dezimeterbereich vor. Das Ergebnis sollte ein motorisch gut handhabbares Verhältnis sein, mittels dessen ein Grundgerüst des Saals gebaut werden kann.

2. Das Grundgerüst

Dieses Grundgerüst wird zunächst aus Holzstäben gebaut, damit die SuS ein Gefühl für die Proportionen bekommen, denen sie sich im Weiteren annähern werden.

Für die technische Umsetzung orientieren sich die SuS an diesem über youtube abrufbaren Video:

Die SuS haben nun den Kubus, der die Dimension des Lehrsaal als kleines Modell wiedergibt. Hinzu kommt, wie im nächsten Video erklärt wird, ein kleiner Stab, der der Länge der SuS entspricht.

3. Der Plan

Nun werden Kartons ausgeteilt, die bereits in den richtigen Maßen vorgeschnitten sind. Sie bilden den Boden. In seine Maße wird nun ein Wohnungsplan eingezeichnet. Dies erkläre ich im folgenden Video:

Haben die SuS ihren Plan auf die Bodenplatte übertragen, kommt es zum praktisch/baulichen Teil. Aus mitgebrachten und vorgefundenden Materialien schneiden sie die erwünschten Bodenbeläge zu und formen Mobiliar.

4. Das Mobiliar

Um von gewohnten Denkmustern abzulenken, wird ein Fragebogen zur Hand gereicht, der in Bildern und Fragen zum kreativen Denken anregen soll.

Als besonders begehrt für den Bau von Mobiliar erwies sich Plastilin, aber auch Ton, und Pappmache, so wie Furnierholzblätter, und Korkmatte.

5. Die Wände

 

Die Gestaltung der Wände stellt vor allem in Hinsicht auf die Verbindung bzw. Verklebung mit dem Boden und mit dem Holzgerüst eine Herausforderung dar, der ich im Video nicht genügend begegnet bin. Die SuS hatten hierbei größere Schwierigkeiten als bei den anderen Arbeitsschritten. Die Verkleidung der Wände mit Tapeten, Screens und Fotos bereitete den SuS allerdings merkbar Freude.

6. Die grafische Dokumentation

Die grafische Dokumentation bestand in der Aufgabe, von dem fertiggestellten Modell zwei Zeichnungen anzufertigen, die man sich nach Belieben in den Zweiergruppen aufteilen konnte. Zum Einen war hier die Erstellung eines Grundrisses gefragt, zum anderen eine 3D-Zeichnung des Modells.

Das Abzeichnen des Modells in Vogelperspektive und als 3D-Zeichnung erfüllten die SuS mit unzureichendem Verständnis für geometrisches Zeichnen. Solch ein Verständnis ist, wie ich aus entwicklungspsychologischer Richtung gehört habe, nicht vor der 4. Klasse zu erwarten. Dementsprechend waren einige SuS frustriert über ihre Ergebnisse. Die 3D-Zeichnung wäre in Folgeversionen also entweder auszusparen, oder deutlich intensiver von der Lehrperson anzuleiten.

Lernziel des grafischen Teils war das Kennenlernen typischer Darstellungsformen in der Architektur (Grundriss, 3D-Ansicht). Zusammen mit dem Modell sollte sich abschließend jedes (Architekt*innen)-team vorstellen.

Die beiden Schülerinnen, die diese Wohnung erschufen, waren sehr motiviert, hatten eigene Materialien und eigene Stifte mit gebracht. Herausstechend waren ihre Entscheidungen, ihrer Wohnung schwarze Wände zu verpassen und das Mobiliar schwarzweiß zu sprenkeln.

Da ein Gruppenmitglied fehlte, wurde hier nur die 3D-Zeichnung fertig gestellt. Neben den liebevollen Details der Tapete und des Teppichs ist der 3D-Charakter bemerkenswert gut gelungen.

Viele SuS entschieden sich dafür, in dieser Wohnung am zweitliebsten wohnen zu wollen. Die beiden Schülerinnen haben dank selbst mitgebrachter Glitzerfolien und bunter Fotos eine spektakuläre Wandgestaltung erreicht.

7. Abschlusspräsentation

In der Abschlussbesprechung sollten die Gruppen berichten, wie sie…

1. die Zusammenarbeit erlebt haben

2. was ihnen schwer fiel

3. was ihnen gut gelungen ist

…und 4. wo auf der Welt sich ihre Wohnung befindet.

Außerdem bekamen alle SuS ein schwarzes, ein grünes, ein violettes, ein rotes und ein gelbes Kärtchen. Das schwarze Kärtchen sollten sie zu der Wohnung legen, in der sie am liebsten wohnen wollen würden, das grüne zur zweiliebsten, das violette zur drittliebsten, das rote zur viertliebsten und das gelbe zur fünftliebsten.


8. Reflexion des Projekts Traumraum

Nachdem der Bau der Modelle zwei Monate in Anspruch nahm, waren mehrere Kinder von der Länge des Projekts erschöpft und sehnten sich nach dem Ende, bzw. neuen Aufgabenstellungen. Das Projekt wäre also in Zukunft zu straffen. Dies gilt auch für die Materialien, die hauptsächlich ich selbst zur Verfügung stellte. Der Materialreichtum war für die SuS zwar sehr attraktiv, mir hinterließ er aber einen enormen Vorbereitungsaufwand. In Zukunft wäre die Materialbeschaffung zumindest etwas mehr an die SuS zu delegieren.

Das Bekleben des Bodens mit den diversen Bodenbelägen verbog diesen, was die Verklebung des Holzkubus mit dem Karton am Schluss in mehreren Fällen erschwerte.

Das sich der Modellbau etwas zu lange hinzog, konnte dem Thema Architektur allerdings keinen Schaden zufügen. In der folgenden Einheit sahen wir uns eine Dokumentation über den Architekten Bjarne Ingels an, und wurden dabei in die Welt virtueller Architektursimulation eingeführt. In der anschließenden Besprechung des Films kam die Idee auf, man könnte auch mittels Minecraft solche Architekturen bauen. >Blogeintrag< Im Folgeprojekt bauen die SuS seitdem eine virtuelle Traumschule.

Lernziele

Im Traumraum-Projekt wird idealerweise mehreres auf ein mal gelernt.

  1. Raumverständnis: Den Körper im Raum verorten können, ein Verständnis für Proportionen und Maßstäbe erlangen.

  2. Ergonomisches Verständnis: Raumhöhen, Türhöhen, Möbelmaße in einem günstigen Maßstab bauen. (Angebot war es zum Beispiel, Räume einzubauen, die nur für kleine Menschen/Kinder zugänglich wären.)

  3. Motorische Fähigkeiten: Durch die Kleinteiligkeit des Mobiliars waren die Kinder herausgefordert, präzise zu arbeiten. Auch das Zuschneiden von Graukarton und das Arbeiten nach Maß ist motorisch fordernd. (Der unkonzentrierte Umgang mit dem Cuttermesser sorgte für den ersten Rettungseinsatz in meiner Unterrichtserfahrung).

  4. Die architektonischen Begrifflichkeiten sollten handhabbar werden und mit konkreter Vorstellung assoziiert werden können.

  5. Der utopische Charakter des Projekts sollte die Fantasie stimulieren und innerhalb vorgegebener Bedingungen zu freiem Denken und Handeln anregen. (Das äußerste sich zb. im Bau eines wohnungsinternen Kebabstandes, jedenfalls aber in sich gegenseitig in ihrer Ausdehnung überbietenden Screens mit Konsolen). Die Vorstellung eines Lebens nach der Schule und jenseits der Eltern sollte auch die Möglichkeit einer längerfristigen Lebensplanung in den Blick rufen. Die Verjüngung des Erwachsenwerdens durch social media sollte schließlich nicht nur mit negativen Side-Effects verbunden sein.

  6. Die Präsentation der Arbeiten, sowohl der Traumwohnungen als auch der utopischen Schule zeigen auf, welche Strukturen aus unserer Realität von den SuS in die ideale Welt übernommen werden. Das ist
    in einem größeren Überblick lehrreich für die Lehrperson und bietet ihr Hinweise zu weiteren pädagogischen Interventionen.